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Stephen L. Carter: Schachmatt

Diesen Roman, geschrieben von einem amerikanischen Rechtsanwalt, lieh ich mir von einer Bekannten aus, weil sie erstens über ihn sprach und weil mich zweitens ihr Büchergeschmack interessierte und ich drittens mit ihr über ihn diskutieren möchte. Eigentlich sind nur die Ausführungen über die Rassenungleichheiten in den USA bis in die heutige Zeit und einige Bemerkungen über egoistische Verhaltensmuster vieler Individuen westlicher Gesellschaften lesenswert. Die Handlung des 850 Seiten umfassenden „Thrillers“ zieht sich hin wie ein Kaugummi und ein Spannungsbogen ist nirgends auszumachen. Die Anlehnungen an Figurenkonstalliationen beim Schachspiel in den Kaptitelüberschriften sind ebenso konstruiert wie der gesamte Verlauf der Story. Der konservative Protagonist, ein Juraprofessor, der wie der Autor der afroamerikanischen Oberschicht angehört, steckt in einer imaginären Zwangsjacke gesellschaftlicher und religiöser Dogmen und lässt sich von seiner, ebenfalls schwarzen, untreuen Ehefrau hintergehen. Ihre Karriere und ihre außerehelichen Abenteuer sind ihr wichtiger als Mann und Sohn. Aber der gute Protagonist, eifriger Christ und freiwilliger Helfer in einer wohltätigen Suppenküche, nimmt alle Schuld auf sich, wie es ihm sein Referent befiehlt. Abschließend muss ich Carter bitten: „Anwalt bleib bei deinen Paragraphen!“

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Nathalie Sarraute: Die goldenen Früchte

Nathalie Sarraute erzählt die „Geschichte“ eines Romans, der nicht existiert! Geschrieben ist er im Stil des „Nouveaus“, den die Autorin im Frankreich der 60er Jahre mitbegründete. Diese Art des Schreibens ist eher deskriptiv, wenn sie Handlung transferiert. Auf den konventionellen Leser wirkt dieses retardierend. 1964 wurde die Autorin für ihren Roman, der mich einerseits irritierte und andererseits faszinierte mit dem internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Wer einmal „ausgetretene“ Literaturpfade meiden möchte, ist mit diesem eher kurzgehaltenen Roman bestens bedient und vielleicht auch, wie ich, von ihm und seiner Thematik angetan!

Nathalie Sarraute: Tropismen

Die 1900 in Russland geborene Autorin lebte ab 1902 bei ihrer nach Frankreich übergesiedelten Mutter. Allerdings verbrachte sie einen Monat im Jahr in Russland bei ihrem Vater, einem eher areligiösen jüdischen Fabrikanten. Auch er ging 1907 nach Frankreich. So saß sie als Kind quasi in ihrer neuen Heimat zwischen den Stühlen ihrer Eltern, die beide mit neuen Partnern liiert waren. Den Hang zum Schreiben hatte die Autorin offensichtlich von ihrer Mutter, die sich in diesem Metier bereits in ihrer Heimat versuchte. Nathalie Sarrautes Art zu schreiben, ist eher die, des sich Herantasten an Worte, an Sprache. „Tropismen“ ist ihr erstes (schmales) Buch, es erschien 1938. Die deutschsprachige von mir gelesene Übersetzung von Max Hölzer erschien 1985 in „Cotta‘s Bibliothek der Moderne“. Wer „Experimentelles“ mag, liegt mit Nathalie Sarraute, richtig. Die Autorin verstarb im Alter von 99 Jahren!