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Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manischdepressiven Teenager im Sommer 1969

Dieses Werk ist großspurig und -artig zugleich, und deshalb besonders lesenwert! Für mich ist es das Beste, was der deutsche Buchmarkt in den letzten Jahren hervorgebracht hat und 2015 vollkommen zu Recht den Deutschen Buchpreis erhielt! Gestillt werden Spannung, Wissensdurst, Reflexionen über die 60er Jahre im westlichen Nachkriegsdeutschland und Einblicke in die Musik und viele andere Dinge und Vorkommnisse in dieser Zeit. Für mich, der wie Frank Witzel, in dieser Zeit aufgewachsen ist und zudem wie er katholisch erzogen wurde, ist es eine Zeitreise in Kindheit und Jugend, bei der viele positive aber auch negative Erinnerungen wach werden. Hier noch meine Idee wie der Roman entstanden sein könnte: Wenn andere Autoren denken: "Jetzt schreibe ich einen tollen Roman und alle Leser sind begeistert!" Sagt sich Witzel: "Jetzt schreibe ich mal auf, was ich alles weiß, trage zusammen was ich schon alles geschrieben habe, denke mir einen ungewöhnlichen und langen Titel aus, damit er ein Alleinstellungsmerkmal hat, und bediene mit diesem "Konglomerat" vor allem meine Generation, die eine Menge Identifikationspotential darin findet. Und wenn sich andere Leser auch für meinen "Stoff" begeistern, kann das selbstverständlich nicht schaden! Mein Fazit: Bravo, Herr Witzel, ihr Konzept ist voll aufgegangen!

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Nathalie Sarraute: Die goldenen Früchte

Nathalie Sarraute erzählt die „Geschichte“ eines Romans, der nicht existiert! Geschrieben ist er im Stil des „Nouveaus“, den die Autorin im Frankreich der 60er Jahre mitbegründete. Diese Art des Schreibens ist eher deskriptiv, wenn sie Handlung transferiert. Auf den konventionellen Leser wirkt dieses retardierend. 1964 wurde die Autorin für ihren Roman, der mich einerseits irritierte und andererseits faszinierte mit dem internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Wer einmal „ausgetretene“ Literaturpfade meiden möchte, ist mit diesem eher kurzgehaltenen Roman bestens bedient und vielleicht auch, wie ich, von ihm und seiner Thematik angetan!

Nathalie Sarraute: Tropismen

Die 1900 in Russland geborene Autorin lebte ab 1902 bei ihrer nach Frankreich übergesiedelten Mutter. Allerdings verbrachte sie einen Monat im Jahr in Russland bei ihrem Vater, einem eher areligiösen jüdischen Fabrikanten. Auch er ging 1907 nach Frankreich. So saß sie als Kind quasi in ihrer neuen Heimat zwischen den Stühlen ihrer Eltern, die beide mit neuen Partnern liiert waren. Den Hang zum Schreiben hatte die Autorin offensichtlich von ihrer Mutter, die sich in diesem Metier bereits in ihrer Heimat versuchte. Nathalie Sarrautes Art zu schreiben, ist eher die, des sich Herantasten an Worte, an Sprache. „Tropismen“ ist ihr erstes (schmales) Buch, es erschien 1938. Die deutschsprachige von mir gelesene Übersetzung von Max Hölzer erschien 1985 in „Cotta‘s Bibliothek der Moderne“. Wer „Experimentelles“ mag, liegt mit Nathalie Sarraute, richtig. Die Autorin verstarb im Alter von 99 Jahren!