Direkt zum Hauptbereich

Paul Kornfeld: Blanche oder Das Atelier im Garten


Dem Autor Paul Kornfeld, 1889 in Prag geboren und 1942 im Konzentrationslager Lodz von den Nazis ums Leben gebracht, gelang mit seinem einzigen Roman ein ganz großer Wurf. Für mich, mit einer der Besten, den die deutschsprachige Literatur neben der von Thomas Mann und Robert Musil zu bieten hat! Erzählt wird aus dem Leben des Bürgertums in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen, wie der Titel sagt, die junge, ambitionierte Malerin Blanche, Tochter eines Anwalts, und ihr Kunstrefugium, das Atelier im Garten. Dort gehen hofierende Männer und charmante Damen ein und aus, plaudern über ihresgleichen und die Welt. Die Hauptsache scheint zu sein, dass die Zeit vergeht! Kornfeld bietet seinem anspruchsvollen Leser Literatur vom Feinsten und verdeutlicht ihm in einem wunderbaren poetisch anmutenden Deutsch dessen Vielfältigkeit, Facettenreichtum und Intensität in der Ausdrucksform, mit dem Ziel, ihm einen an Leidenschaft nicht zu übertreffenden Kunstgenuss zu bieten, der ihn in seinem Bann zieht und dem er sich nicht entziehen kann, selbst wenn er es wollte. Denn nach annähernd 800 Seiten fällt es ihm schwer, diesen beeindruckenden Roman, in dem man sich verlieren aber auch unweigerlich verlieben kann, zur Seite zu legen, weil er tatsächlich schon endet!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Nathalie Sarraute: Die goldenen Früchte

Nathalie Sarraute erzählt die „Geschichte“ eines Romans, der nicht existiert! Geschrieben ist er im Stil des „Nouveaus“, den die Autorin im Frankreich der 60er Jahre mitbegründete. Diese Art des Schreibens ist eher deskriptiv, wenn sie Handlung transferiert. Auf den konventionellen Leser wirkt dieses retardierend. 1964 wurde die Autorin für ihren Roman, der mich einerseits irritierte und andererseits faszinierte mit dem internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Wer einmal „ausgetretene“ Literaturpfade meiden möchte, ist mit diesem eher kurzgehaltenen Roman bestens bedient und vielleicht auch, wie ich, von ihm und seiner Thematik angetan!

Nathalie Sarraute: Tropismen

Die 1900 in Russland geborene Autorin lebte ab 1902 bei ihrer nach Frankreich übergesiedelten Mutter. Allerdings verbrachte sie einen Monat im Jahr in Russland bei ihrem Vater, einem eher areligiösen jüdischen Fabrikanten. Auch er ging 1907 nach Frankreich. So saß sie als Kind quasi in ihrer neuen Heimat zwischen den Stühlen ihrer Eltern, die beide mit neuen Partnern liiert waren. Den Hang zum Schreiben hatte die Autorin offensichtlich von ihrer Mutter, die sich in diesem Metier bereits in ihrer Heimat versuchte. Nathalie Sarrautes Art zu schreiben, ist eher die, des sich Herantasten an Worte, an Sprache. „Tropismen“ ist ihr erstes (schmales) Buch, es erschien 1938. Die deutschsprachige von mir gelesene Übersetzung von Max Hölzer erschien 1985 in „Cotta‘s Bibliothek der Moderne“. Wer „Experimentelles“ mag, liegt mit Nathalie Sarraute, richtig. Die Autorin verstarb im Alter von 99 Jahren!