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Paul Kornfeld: Blanche oder Das Atelier im Garten


Dem Autor Paul Kornfeld, 1889 in Prag geboren und 1942 im Konzentrationslager Lodz von den Nazis ums Leben gebracht, gelang mit seinem einzigen Roman ein ganz großer Wurf. Für mich, mit einer der Besten, den die deutschsprachige Literatur neben der von Thomas Mann und Robert Musil zu bieten hat! Erzählt wird aus dem Leben des Bürgertums in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen, wie der Titel sagt, die junge, ambitionierte Malerin Blanche, Tochter eines Anwalts, und ihr Kunstrefugium, das Atelier im Garten. Dort gehen hofierende Männer und charmante Damen ein und aus, plaudern über ihresgleichen und die Welt. Die Hauptsache scheint zu sein, dass die Zeit vergeht! Kornfeld bietet seinem anspruchsvollen Leser Literatur vom Feinsten und verdeutlicht ihm in einem wunderbaren poetisch anmutenden Deutsch dessen Vielfältigkeit, Facettenreichtum und Intensität in der Ausdrucksform, mit dem Ziel, ihm einen an Leidenschaft nicht zu übertreffenden Kunstgenuss zu bieten, der ihn in seinem Bann zieht und dem er sich nicht entziehen kann, selbst wenn er es wollte. Denn nach annähernd 800 Seiten fällt es ihm schwer, diesen beeindruckenden Roman, in dem man sich verlieren aber auch unweigerlich verlieben kann, zur Seite zu legen, weil er tatsächlich schon endet!

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